Einleitung
Was ist eine Multiple-Choice-Aufgabe ?
Aufgabenstamm
Formulierung des Aufgabenstamms
Beziehung zwischen korrekten und falschen Antworten
Anzahl der Antwortoptionen
Einige Regeln zur Konstruktion von MC-Aufgaben
Weitere Regeln zur Konstruktion von Aufgabenstamm und Alternativen
Konstruktion der Distraktoren
Wie kommt man zu den Distraktoren ?
Zweifelhafte Distraktoren
Positionen der Alternativen und korrekter Antwort
Anordnung der Aufgaben
Die Multiple-Choice-Aufgabe (MC) kommt sehr häufig zum Einsatz und gehört ohne Zweifel zu den wichtigsten und besten Aufgabentypen. Bis auf kreative Leistungen lassen sich fast alle Lehrziele, auch solche auf einem hohen Lehrzielniveau (Verständnis, Anwendung), erfassen. Die besten psychologischen Tests (z.B. Intelligenztest) basieren fast ausschließlich auf dem Aufgabentyp Multiple-Choice. Neben seinen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten besticht die MC-Aufgabe durch ihre hohe Auswertungsobjektivität, womit sich dieser Aufgabentyp hervorragend für die maschinelle Auswertung eignet.Kennzeichen von MC-Aufgaben.Die Erstellung vom MC-Aufgaben ist allerdings nicht einfach. Die adäquate Konstruktion von MC-Aufgaben erfordert viel Zeit. Sie setzt zudem jede Menge Erfahrung in dem betreffenden Sachgebiet und der angemessenen Formulierung der Aufgaben voraus.
Die folgenden Richtlinien zur Erstellung von einfachen MC-Aufgaben basieren überwiegend auf dem Kapitel "Writing Selection Items" von Norman E. Gronlund aus:
Gronlund, N.E. 1998. Assessment of Students Achievement. 6th. edition: Allyn & Bacon. Boston.
Der interessierte Leser sei ausdrücklich auf die Lektüre dieses Kapitels aufmerksam gemacht, weil es viele Empfehlungen mit Beispielen (allerdings aus dem Bereich der Aufgaben -und Testkonstruktion) belegt.
Eine einfache Multiple-Choice-Aufgabe besteht aus einem Aufgabenstamm und mehreren Antwortoptionen (Alternativen). Eine der Antwortoptionen ist die richtige Antwort. Die falschen Alternativen heißen Distraktoren.
Aufgabenstamm
Tabelle 1
Beispiel für eine Multiple-Choice-Aufgabe mit BezeichnungenAufgabenstamm Wie heißt die Hauptstadt von Venezuela ? Antwortoptionen
(Alternativen)Distraktor 1.) Lima Distraktor 2.) Montevideo korrekte Antwort 3.) Caracas Distraktor 4.) Bogota
Die Alternativen sind hier durchnumeriert, um die Positionen zu kennzeichnen. Gelegentlich werden statt Zahlen auch Buchstaben (A..D) verwendet. Diese Kennzeichnung der Alternativen mit Zahlen oder Buchstaben sollte meiner Meinung nach möglichst beibehalten werden, weil so ein direkter Bezug zur Alternative hergestellt wird, was sich etwa bei Rückmeldungen als hilfreich erweist.Im Beispiel steht die korrekte Antwort an der 3. Position. Es empfiehlt sich in der Regel die Alternativen, so wie oben dargestellt (vertikal untereinander), anzuordnen und nicht etwa beliebig zu platzieren, weil sie so am besten miteinander verglichen werden können.
Unter dem wissenden Studenten verstehe ich im folgenden einen Studenten, welcher das mit der Aufgabe zu messende Lehrziel beherrscht (=Könner). Ein unwissender Student beherrscht das Lehrziel demnach nicht (=Nichtkönner). Ziel der Aufgabenstellung im Sinne der Messung ist es, den wissenden Studenten zu veranlassen, die Aufgabe richtig zu lösen, während der nichtwissende Student die Aufgabe falsch lösen soll.
Man unterscheidet im wesentlichen zwei Formulierungsvarianten des Aufgabenstamms.Abgrenzungskriterium der korrekten Antwort von den DistraktorenDer Aufgabenstamm in Tabelle 1 würde in der Formulierungsvariante b lauten:
- Aufgabenstamm als Frage: Alternativen als Antworten auf die Frage.
- Aufgabenstamm als unvollständiger Satz, der durch jede Alternative vervollständigt wird.
Die Hauptstadt von Venezuela heißt...Nach Gronlund sind Formulierungen als unvollständige Sätze prägnanter, da sie in der Regel weniger Text umfassen. Für den Anfänger unter den Aufgabenentwicklern empfiehlt er aber Aufgabenstämme als Fragen, da sie einfacher zu konstruieren sind.
Gelegentlich gehen dem Aufgabenstamm mehr oder weniger umfangreiche Informationen (Fallbeschreibung, Textauszug, Graphik, Tabelle usw.) voraus. Sofern man zu diesen Informationen mehrere Aufgaben stellt, handelt es sich um einen gesonderten Aufgabentyp der interpretativen Aufgabenstellungen (interpretive exercises), die aber im Prinzip ähnlich wie einfache MC-Aufgaben zu handhaben sind. Die dem Aufgabenstamm vorausgehenden Informationen ermöglichen es, anspruchsvolle Aufgaben zu den Lehrzielen Anwenden, Analyse und Interpretation zu erstellen.
Aus dem Aufgabenstamm muß hervorgehen, welches Kriterium die korrekte Antwort erfüllen muß.Anzahl der Antwortoptionen
Die korrekte Antwort kann sich in zweierlei Weise von den Distraktoren unterscheiden:Aufgabenstellungen in der Variante a sind offenbar meist einfacher zu konstruieren. Manchmal aber ist es schwierig, etwas eindeutig Falsches zu finden, was dann auch noch plausibel sein soll.
- Die zutreffende Antwort ist wahr. Alle Distraktoren sind falsch (true answer form)
- Die zutreffende Antwort ist die beste Auswahl unter allen Alternativen. (best answer form)
Aufgabenstellung in der best answer Form sind anspruchsvoller und werden häufiger bei Lehrzielen höheren Lehrzielniveaus, also zur Erfassung komplexerer Leistungen angewandt, wo der Student z.B. entscheiden muß, was der beste Grund für eine bestimmte Aktion ist oder welches die beste Methode zur Erreichung eines Zieles darstellt. Die Distraktoren sind hierbei zumindest teilweise richtig. Jedoch muß Eindeutigkeit bzw. hinreichender Konsens darüber herrschen, welche Alternative die korrekte, also die beste Antwort darstellt.
Bei 4 Antwortoptionen beträgt die Wahrscheinlichkeit, durch Zufall die richtige Antwort zu treffen, ein Viertel. Theoretisch sinkt die Ratewahrscheinlichkeit mit steigender Anzahl der Alternativen. Da man aber auch den unwissenden Studenten nicht als Zufallsgenerator ansehen darf, hängt die tatsächliche Ratewahrscheinlichkeit nicht nur von der Anzahl, sondern auch von der Plausibilität der Distraktoren ab.Einige Regeln zur Konstruktion von MC-Aufgaben
Die Wahl guter Distraktoren ist das schwierigste Problem bei der Konstruktion von MC-Aufgaben.
4 Antwortoptionen haben sich in der Praxis als recht brauchbar erwiesen. Es besteht aber keine Notwendigkeit, für jede Aufgabe 4 Antwortoptionen festzulegen. Es ist günstiger, nur 3 Alternativen zu verwenden, wenn man nicht mehr als 2 gute Distraktoren findet. Es mag sinnvoll sein, 5 Alternativen zu entwickeln, wenn man 4 brauchbare Distraktoren konstruieren kann.
1. Gestalte jede Aufgabe so, daß ein wichtiges Lehrziel gemessen wird !
Bevor eine Aufgabe entwickelt wird, sollte klar sein, welches Lehrziel die Aufgabe messen soll. Im Idealfall liegt eine Lehrzielmatrix vor, welche Inhalte (Lehrstoff, Thema) mit Verhalten (Lehrzielniveaus) verbindet. Insbesondere ist darauf zu achten, ob als Lehrziel angestrebt werden:2. Präsentiere im Aufgabenstamm ein einziges klar formuliertes Problem !
- Kenntnisse (z.B.: Fakten aus dem Lehrbuch),
- Verständnis (z.B.: Beziehungen, die mit anderen Worten als im Lehrbuch ausgedrückt werden.)
- Anwendung des Wissens auf neue, bisher unbekannte Sachverhalte.
Hierbei ist idealerweise anzustreben, den Aufgabenstamm so eindeutig zu formulieren, daß ein wissender Student die Antwort nennen kann, ohne die Alternativen gesehen zu haben. Als Faustregel zur Konstruktion derartig klarer Aufgabenstämme versuche man den Aufgabenstamm so zu formulieren, daß er auch mit Hilfe des Short-Answer-Aufgabentyps beantwortet werden könnte, was für unser Beispiel in Tabelle 1 offensichtlich zutrifft:3. Formuliere den Aufgabenstamm in einer einfachen und klaren Sprache !
Beim Lehrzielniveau Verständnis und Anwendung ist diese Form aber weitaus schwieriger zu realisieren. Dennoch kann auch bei höherem Lehrzielniveau der Aufgabenstamm präzise eingeengt werden, so daß der wissende Student die Frage mit einem zwingenden richtigen Satz beantworten kann.
Als etwas eingeschränktere Forderung würde ich vorschlagen, daß der wissende Student beim Betrachten der korrekten Alternative diese verifizieren können sollte, ohne die weiteren Antwortoptionen in Augenschein nehmen zu müssen, was aber bei der best-answer-Form nicht immer gelingen kann.Die Fragestellung soll sich auf ein Problem beschränken, weil ansonsten der diagnostische Wert der Aufgabe unklar bleibt. Bei einer Falschlösung ist dann nicht entscheidbar, welches Problem der Student nicht versteht.
Der wissende Student soll die Aufgabenstellung rasch verstehen, um die korrekte Antwort geben zu können. Multiple-Choice-Aufgaben sollen nicht Textverständnis, sondern Wissen prüfen. Umständliche bzw. komplexe Sprache macht die Aufgabe schwieriger, was dann aber zu Lasten der Validität der Aufgabe geht, weil der wissende Student wegen Verständnisschwierigkeiten bzgl. der Aufgabenstellung Fehler macht.4. Packe so viele Wörter wie möglich in den Aufgabenstamm, wenn dadurch Wörter in den Antwortoptionen eingespart werden können !
Irrelevante, nicht zielführende, Informationen im Aufgabenstamm sollen möglichst unterbleiben, sofern nicht die Unterscheidung zwischen relevanten und irrelevanten Informationen wesentlicher Teil des Lehrziels darstellt.
Bei Testaufgaben verzichte man auf lehrende Passagen vor der eigentlichen Aufgabenstellung , da so wertvolle Zeit für das Durchdenken des Problems verloren geht.
Eine lehrende Passage für unser Demonstrationsbeispiel in Tabelle 1 wäre etwa:
"Die größten Länder Südamerikas sind Brasilien und Argentinien". Die Hauptstadt von Brasilien heißt ähnlich wie das Land, nämlich Brasilia. Buones Aires ist die Hauptstadt von Argentinier.Wie aber heißt die Hauptstadt von Venezuela ?
Für Lern und Übungsaufgaben kann es durchaus sinnvoll sein, lehrende Passagen der Aufgabe voranzustellen, u.a. auch, um die Beantwortbarkeit der Aufgabe zu unterstützen.
Um die Lesezeit einer Aufgabe zugunsten der Denkzeit möglichst gering zu halten, empfiehlt es sich, Textteile, welche alle Antwortoptionen gemeinsam umfassen, in den Aufgabenstamm zu verlagern. Dadurch werden auch die Alternativen übersichtlicher.Die simple Methode, die Wörter aus den Alternativen in den Aufgabenstamm zu verbannen, greift jedoch nicht immer. Dann prüfe man, ob durch eine Umorganisation des Satzbaus eine deutliche Reduzierung der Wortanzahl erreicht wird und diese Umformulierung das Verständnis erleichtert. Eine Textkürzung der gesamten Aufgabenstellung macht nur Sinn, wenn die Verständlichkeit und Klarheit der Aufgabenstellung mindestens erhalten bleiben. Gelegentlich ist es auch ratsam, aus Gründen er Eindeutigkeit bestimmte wichtige Begriffe in allen Alternativen zu wiederholen. 5. Formuliere den Aufgabenstamm positiv !
Unser Demonstrationsbeispiel in Tabelle 1 erfüllt diese Bedingung. Ein schlechteres Aufgabenformulierungsbeispiel wäre etwa
Welche Aussage trifft zu ?
1.) Die Hauptstadt von Venezuela heißt Lima.
2.) Die Hauptstadt von Venezuela heißt Montevideo.
3........
Positive Aussagen und Fragen sind einfacher zu verstehen als negative Formulierungen und allein schon deshalb vorzuziehen. Eine weitere Begründung für diese Empfehlung sieht Gronlund in der Erkenntnis, daß dem positiven Wissen um das beste Argument oder die beste Methode eine höhere pädagogische Relevanz zukommt als der Erkenntnis um die schlechtesten Argumente und Maßnahmen.Der Aufgabenstamm wird häufig deshalb negativ formuliert, weil ansonsten schwer plausible Distraktoren zu finden sind. Das ist immer dann der Fall, wenn es viele potentiell richtige Alternativen, aber ganz wenige plausible falsche Alternativen gibt. Man findet z.B. mehr Tiere, die wie Fische aussehen und auch Fische sind, als solche, die wie Fische aussehen, aber keine Fische sind. Zu der Fragestellung. Welches Tier ist ein Fisch (und sieht aus wie ein Fisch) ?, müsste man nun 3 Exemplare finden, die wie Fische aussehen, aber keine Fische sind (und diese 3 Exemplare müssten den Testpersonen auch bekannt sein). Zur Frage "Welches Tier ist kein Fisch" stehen alle Fische als Distraktoren zur Verfügung, auch solche, die gar nicht wie Fische aussehen.
Dieses Problem kann nach Gronlund durch eine Abänderung des Aufgabentyps gelöst werden. Statt einer einfachen MC-Aufgabe mit 4 Alternativen, konstruiere man 4 True/false Aufgaben.
Eine ähnliche Möglichkeit bietet die MC-Aufgabe mit beliebig vielen richtigen Antworten. Dann kann man die Aufgabe positiv formulieren und der Student muss alle positiven Beispiele ankreuzen. Für die Aufgabe benötigt man nur noch einen guten Distraktor, z.B.:
Da negative Formulierungen, etwa das Wörtchen nicht, leicht übersehen werden, muß der Student besonders darauf aufmerksam gemacht werden. Die Negation sollte typographisch deutlich herausgestellt werden (NICHT nicht nicht) und nach Möglichkeit am Ende des Aufgabenstamms hervortreten.
Alle nachfolgenden Tiere sind Fische, ausgenommen7. Sorge dafür, daß die als korrekt bezeichnete Antwort auch tatsächlich die korrekte Antwort ist !Die Platzierung der Negation am Ende des Satzes ist insbesondere dann angezeigt, wenn es sich um einen längeren Satz handelt und ansonsten einem früh negierten Satzteil noch positiv formulierte Satzteile folgten.
Auch die Alternativen sollten nach Möglichkeit positiv formuliert sein. Ist der Aufgabenstamm schon negativ formuliert, verbietet sich eine negative Formulierung der Alternativen, weil ansonsten der Nachweis vorhandenes Wissens im Bezug auf das Lehrziel infolge logischer Verständnisschwierigkeiten ausbleiben könnte.
Die Empfehlung klingt trivial, läßt sich in der Praxis aber nicht immer sauber durchhalten. Es ist mir insbesondere bei anspruchsvollen Fragestellungen gelegentlich doch schon passiert, daß ich den Begriff "eindeutig richtig" letztlich als ein Kontinuum betrachten mußte. Nicht nur die richtige Antwort muss eindeutig richtig sein, sondern die Distraktoren müssen bei aller Plausibilität dennoch eindeutig falsch, bzw. im Falle der best answer form eindeutig schlechter als die korrekte Antwort sein.Weitere Regeln zur Konstruktion von Aufgabenstamm und AlternativenDie Eindeutigkeit der Aufgabe ist zum einen eine notwendige Bedingung für die Validität der Messung und bei Testaufgaben unverzichtbar, darüberhinaus aber auch aus motivationalen Gründen anzustreben. Es ist für Studenten frustrierend, wenn sie nur mühsam von der korrekten Antwort überzeugt werden und selbst einige plausible Gründe für die 'angeblich falsche Alternative' vorbringen können.
Je spezifischer die Fragestellung, desto eher läßt sich die Empfehlung 7 realisieren. Für MC-Aufgaben mit best answer form macht Gronlund den Vorschlag, die Frage stets so zu formulieren, daß alle Alternativen zum Vergleich herangezogen werden, z.B.:
Welche von den folgenden Alternativen ....ist die beste Methode... ?
Aufgabenstamm und alle Alternativen müssen so formuliert sein, daß sie grammatikalisch korrekt sind. Probleme können insbesondere auftreten, wenn der Aufgabenstamm mit einem unvollständigen Satz beginnt, der dann für eine oder mehrere Alternativen grammatisch falsch vervollständigt wird und so Verständnisschwierigkeiten sowie unbeabsichtigte Hilfestellung zur Identifizierung der korrekten Antwort nach sich ziehen könnte.Das Erscheinungsbild der Alternativen sollte möglichst ähnlich aussehen. Gronlund verdeutlicht dieses Prinzip an einem Beispiel:
Ausgangsbeispiel verbessertes Beispiel Warum sollten negative Formulierungen bei Multiple-Choice-Aufgaben vermieden werden? 1.) Sie könnten übersehen werden. 1.) Sie könnten übersehen werden. 2.) Der Aufgabenstamm wird tendenziell größer 2.) Sie vergrößern tendenziell den Aufgabenstamm 3.) Die Alternativen sind schwieriger zu konstruieren 3.) Sie erschweren die Konstruktion der Alternativen 4.) Die Auswertung wird schwieriger 4.) Sie könnten die Auswertung erschweren Im verbesserten Beispiel beginnen alle Alternativen mit demselben Subjekt und sind so besser miteinander zu vergleichen. Ich würde das verbesserte Beispiel weiter verbessern und nach der Fragestellung im Aufgabenstamm die Antwort einleiten: Negative Formulierungen.. Dadurch könnte man das "Sie" in den Alternativen sparen und das Subjekt wäre noch eindeutiger bestimmt.
Alle Hinweise, die den unwissenden Studenten der korrekten Antwort oder den wissenden Studenten den falschen Alternativen näher bringen, sollten vermieden werden. Zu derartigen Hinweisen zählt Gronlund im einzelnenKonstruktion von Distraktoren
- Ähnlichkeiten von Wörtern im Aufgabenstamm und der korrekten Lösung
geben Hinweise auf die korrekte Lösung.- Formulierung der korrekten Antwort "aus dem Lehrbuch" oder in stereotyper Phraseologie
deuten eher auf die korrekte Antwort hin. Dem Studenten sind derartige Passagen irgendwie bekannt, ohne daß sie notwendigerweise auch verstanden werden.- Umfangreichere Ausformulierung der korrekten Antwort.
Aufgabenentwickler gibt sich für die korrekte Antwort mehr Mühe. Korrekte Antwort und Distraktoren sollen sich auf Grund des Erscheinungsbildes nicht voneinander abgrenzen lassen.- Absolute Begriffe wie "immer, niemals, alle, kein, nur" in den Distraktoren
implizieren häufig die Falschheit, während moderatere Begriffe wie "zum Beispiel, manchmal, gewöhnlich, möglicherweise" eher auf die richtige Antwort verweisen.- Die Beziehung der Antwortoptionen untereinander
kann die Anzahl der echten Distraktoren verringern. Z.B. Eine Alternative ist eine echte Teilmenge einer anderen Alternative; Zwei sehr ähnliche Alternativen mit derselben Bedeutung müssen beide falsch sein, wenn es nur eine richtige Antwort gibt. Die Distraktoren sollten vornehmlich echte, unabhängige Alternativen darstellen und untereinander nicht zu ähnlich sein.
Die Distraktoren sollten für den Nichtkönner plausibel und attraktiv sein, dem Könner hingegen in ihrer Falschheit evident sein. Distraktoren, die nicht angekreuzt werden, sind grundsätzlich unbrauchbar und sollten, selbst wenn kein Ersatz gefunden wird, aus der Aufgabe ausgeschlossen werden. Im Rahmen einer für Testzwecke vorgesehenen Distraktorenanalyse kann die Brauchbarkeit der Distraktoren statistisch ermittelt werden und hierbei wäre es von Vorteil, wenn alle Distraktoren in etwa gleich häufig gewählt werden würden.Wie kommt man zu brauchbaren Distraktoren ?
Die falsche Antwort des Studenten basiert entweder auf reinem Unwissen, auf einer Fehlkonzeption oder auf einem Flüchtigkeitsfehler. Für Lern- und Übungsaufgaben eignen sich vornehmlich häufig realisierte typische Fehler, weil dann der Fehler in der Aufgabe auch entdeckt wird und durch entsprechende Rückmeldung in Zukunft vermieden werden kann. Bei fehleranalytischen Aufgabenstellungen bestehen alle Distraktoren aus typischen Fehlern.Zweifelhafte Distraktoren.Will man Distraktoren auf dem Weg der Erhebung ermitteln, dann eignen sich Protokolle aus Aufgabenstellungen mit Short-Answer-Aufgabentyp. Man gibt praktisch den für die MC-Aufgabe vorgesehenen Aufgabenstamm vor, läßt die Aufgabe aber frei beantworten. Häufige Fehler könnten als plausible Distraktoren dienen. Der erfahrene Lehrer kennt typische Fehler seiner Schüler oder kann sie sich zumindest theoretisch vorstellen.
Die geeigneten Distraktoren hängen im hohem Maße vom Lerninhalt ab und allgemeine Empfehlungen können sich daher nur auf mehr oder weniger formal abstrakte Ratschläge beziehen:
Dazu gehören nach Gronlund u.a.
- Formuliere die Alternativen in der Sprache des Studenten
- Verwende gut klingende Worte (genau, wichtig, bedeutsam) in Distraktoren und korrekter Antwort.
- Distraktoren und korrekte Antwort sollten sich nicht in Komplexität und Satzlänge unterscheiden. Die Textlänge einer Alternative sollte keine Prognose auf ihre Richtigkeit zulassen.
- Verwende äußere Hinweise in den Distraktoren (z.B. ähnliche Worte wie im Aufgabenstamm, wissenschaftlich beeindruckende Aussagen, wohlklingende Passagen aus dem Lehrbuch usw. )
Unplausible bzw. abwegige Distraktoren nennt man in Anlehnung nach nachfolgendes Aufgabenbeispiel Känguruhs.Positionen der Antwortoptionen
übernommen aus: Rütter 1973, S.166).Es herrscht hohe Übereinstimmung darüber, daß formale Alternativen wie
nur mit Vorsicht und im Notfall verwendet werden sollten. Derartige Alternativen dokumentieren meistens die mangelnde Fantasie des Aufgabenkonstrukteur im Hinblick auf das Er- bzw. Auffinden echter Distraktoren.
- keine der oben aufgeführten Alternativen ist richtig bzw.
- alle oben aufgeführten Antworten sind richtig
- alle oben aufgeführten Antworten sind falsch.
Ebenso abraten möchte ich von Alternativen, welche recht komplexe Entscheidungen verlangen und ein hohes Maß an Logik voraussetzen, wie z.B.1.) a und b aber nicht c
2.) nur a, sofern c
3.) a oder b, wenn nicht cAuf diese Weise läßt sich zwar die Schwierigkeit der Aufgabe beliebig steigern, dies geschieht jedoch meistens auf Kosten der Validität der Lehrzielerfassung. Manche recht komplexe MC-Aufgabenstellungen verlangen in den Alternativen eine Entscheidung über mehrere, verschiedene Fragen. etwa.
a) 1,2 und 3 sind richtig
b) 1 und 2 sind richtig, 3 ist falsch, 4 ist nicht entscheidbar.
Ich halte derartige Fragen nicht unbedingt für glücklich gewählt. Sie erhöhen ebenfalls die Komplexität und erschweren eine Diagnose, wo nun der Fehler des Studenten auszumachen ist.
In den meisten Fällen sollte die Position der richtigen Antwort nach Zufall festgelegt werden, um unbewußte Vorlieben zu verhindern. Untersuchungen haben ergeben, daß der Aufgabenkonstrukteur eine gewisse Systematik anwendet, wenn er die richtigen Alternativen "gefühlsmäßig nach Zufall" bestimmt. Obgleich ein derartiges Verfahren nur selten gravierende Nachteile haben dürfte, empfiehlt sich aus grundsätzlichen Erwägungen heraus ein echtes Zufallsverfahren, das die Position aller Alternativen einschließlich der korrekten Antwort zufällig anordnet. Dieses kann für jede Aufgabe getrennt, oder streng über alle Aufgaben ausbalanciert, vorgenommen werden, läßt sich aber höchstwahrscheinlich nur bei Rechner gestützter Aufgabenkonstruktion in der Praxis letztlich verwirklichen.Anordnung der AufgabenBei Maßangaben (Zahlen) sollten die Alternativen aus Gründen der Übersichtlichkeit in einer Richtung (z.B. ansteigend) angeordnet sein, wobei dann aber die Position der korrekten Antwort ebenfalls nach Zufall variiert. Hier muß man demnach zuerst die Position der korrekten Antwort bestimmen und danach die Alternativen entwickeln.
Bei Leistungstests ist es üblich, die Aufgaben nach Schwierigkeit zu staffeln. Leichtere Aufgaben zu Beginn einer Test- bzw. Übungsserie könnten sich zudem wegen der relativ hohen Erfolgswahrscheinlichkeit positiv auf die Lern bzw. Arbeitsmotivation auswirken. Andere Anordnungvarianten gruppieren die Aufgaben nach Lehrzielniveau oder nach Aufgabentyp.Einschränkung der Ratschläge
Im Gegensatz zu Lern oder Übungsaufgaben müssen Testaufgaben voneinander unabhängig sein. D.h. Eine vorangehende Aufgabe darf keine Lösungshinweise für eine nachfolgende Aufgabe geben.
Die meisten hier vorgebrachten Ratschläge basieren auf der Erfahrung von Aufgabenkonstrukteuren sowie auf einigen theoretisch plausibel klingenden Überlegungen, sind aber keineswegs alle durch aufwendige Untersuchungen empirisch gesichert (siehe z.B.:Violating Conventional Wisdom in Multiple Choice Test Construction. Taylor, Annette Kujawski; College Student Journal, Vol 39(1), Mar 2005. pp. 141-148.) Sie sollten dem Novizen eine gewisse Orientierung für die Konstruktion von Aufgaben geben.
Insbesondere der erfahrene Aufgabenkonstrukteur sollte aber auch die letzte von Gronlund vorgebrachte Regel zur Kenntnis nehmen.Breche jede der vorgebrachten Regeln, wenn dadurch die Effektivität der Aufgabe verbessert werden kann!