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Zusammenfassung - Förderdiagnostik



Zusammenfassend können folgende charakteristische Aspekte von Förderdiagnostik festgehalten werden:

  1. Förderdiagnostik ist keine Platzierungsdiagnostik

  2. Die förderdiagnostische Ziel- oder Fragestellung ist klar von der Platzierungsdiagnostik zu unterscheiden. Zur Beantwortung dieser grundsätzlich verschiedenen Fragestellungen ist ein unterschiedliches methodisches Vorgehen, sind unterschiedliche diagnostische Strategien erforderlich und es ergeben sich daraus zwangsläufig diagnostische Informationen mit unterschiedlicher Qualität.

  3. Förderdiagnostik ist Situationsdiagnostik

  4. Kind und Umwelt bilden eine untrennbare Einheit, sodass Förderdiagnostik kindliches Verhalten immer nur im Zusammenhang mit spezifischen Situationen erfassen kann. Diese momentane spezifische Situation wird auch bestimmt durch Ereignisse aus der Vergangenheit und durch Vorstellungen über die Zukunft. Im Rahmen der Förderdiagnostik werden nicht möglichst umfassend alle verfügbaren Informationen und Daten gesammelt, sondern nur diejenigen, die in der spezifische Situation bedeutsam sind. Diese Bedeutsamkeit erhalten diagnostische Informationen einerseits dadurch, dass der Diagnostiker versucht die Perspektive des Kindes einzunehmen und sich so von Anfang an bemüht, das Kind in seiner spezifischen Situation zu verstehen und andererseits, indem er sein pädagogisches, didaktisches und psychologisches Fachwissen zur Deutung des kindlichen Verhaltens benutzt. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der soziale Kontext nicht nur ein Faktor ist, der auf das Kind einwirkt und sein Handeln mit bestimmt, sondern dass das Kind ebenfalls aktiv gestaltend in diesem Kontext agiert.

  5. Förderdiagnostik ist Lernprozessdiagnostik

  6. Förderdiagnostik bleibt nicht beim Erfassen des aktuellen Entwicklungsstandes stehen, sondern sucht den potentiellen, indem Aufgaben vorgelegt werden, die das Kind nicht alleine, sondern nur mit individuellen Lernhilfen bewältigen kann. Damit wird der Prozess des Lernens sichtbar und analysierbar. Die auf diese Art gefundenen individuellen Lernhilfen stellen die immer wieder geforderte Einheit von Diagnostik und Förderung tatsächlich her.

  7. Förderdiagnostik ist kompetenz- und defektorientiert

  8. Förderdiagnostik erfasst und berücksichtigt gleichermaßen die Stärken und Schwächen eines Kindes, da sich beide gegenseitig bedingen und gemeinsam die Individualität eines Kindes ausmachen. Förderdiagnostisch besonders interessante Informationen ergeben sich an dem Punkt, wo Können in Nicht-können übergeht. Bestimmte Stärken erhalten dann eine besondere Bedeutung, wenn sie als Kompensationsmöglichkeiten zur Bewältigung spezifischer Situationen eingesetzt werden können.

  9. Förderdiagnostik ist ein hypothesengeleiteter Prozess

  10. Förderdiagnostik steht nicht am Anfang eines Lehr- und Lernprozesses, sondern wird erst notwendig, wenn bestimmt Lernziele mit "herkömmlichen" Mitteln nicht zu erreichen sind, wenn also Lernhemmungen vorliegen, die vom Kinde nicht alleine oder mit den normalerweise zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln überwunden werden können. Mit Hilfe der Förderdiagnostik lassen sich keine Förderziele und nächste Entwicklungsschritte finden, sondern Förderdiagnostik ist nur in der Lage, Hypothesen über hemmende oder fördernde Lern- und Verhaltensbedingungen zu überprüfen. Die Hypothesen selbst werden vom Diagnostiker aus seinem pädagogischen, didaktischen und psychologischen Fachwissen heraus entwickelt. Hilfreich für das generieren und Überprüfen der Hypothesen erscheint aus der Erfahrung heraus auch der Diskurs mit anderen Diagnostikern, mit den nächsten Bezugspersonen und womöglich mit dem betroffenen Kind selbst. Das Förderdiagnostische Gutachten dokumentiert den hypothesengeleiteten Prozess und macht ihn für Nichtbeteiligte nachvollziehbar.


    Literatur:
    Breitenbach, E. Förderdiagnostik. Grundlagen und Konsequenzen für die Praxis. Würzburg 2003



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