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Zusammenfassung - Neuropsychologische Förderdiagnostik



Eine neuropsychologisch orientierte Förderdiagnostik besteht aus zwei Elementen. Einmal führt das funktionelle System, das zum vorliegenden Problem erstellt wird, zu wissenschaftlich abgesicherten Hypothesen über die möglichen Teilfunktionen, die dieses Problemverhalten bedingen könnten. Beispielhaft wurde dies für den Schriftspracherwerb aufgezeigt. Daran anschließend sucht der Diagnostiker nach geeigneten Aufgabenstellungen zur Überprüfung der einzelnen Teilfunktionen, die er in der Fülle vorliegender Überprüfungsverfahren finden kann.

Der zweite Aspekt, der eine neuropsychologische Förderdiagnostik charakterisiert, wird mit der Variation der Aufgabenstellung beschrieben. Der Diagnostiker beginnt mit dem systematischen Variieren, sobald die vorgelegten Aufgaben von dem zu untersuchenden Kind nicht mehr selbständig bewältigt werden können. Er löst sich dabei ganz bewusst von der vorgegebenen Standardisierung und gibt solange unterschiedliche Hilfestellungen bis das Kind zu einer Lösung gelangt.

Wird diese neuropsychologisch orientierte Vorgehensweise mit der Beschreibung von Förderdiagnostik als ein hypothesengeleiteter Prozess in Beziehung gesetzt, hilft das Erstellen eines funktionellen Systems bei der Suche nach ersten Hypothesen über den möglichen Bedingungshintergrund der Lernhemmung. Auf diese Weise fließt neuropsychologisches Wissen in den Hypothesenbildungsprozess mit ein, wird aber als einzige Wissensbasis niemals ausreichend sein können. Die Auswahl und Durchführung geeigneter Aufgabenstellung entsprechend der im funktionellen System zusammengetragenen Teilfunktionen ermöglicht die Evaluierung bestimmter Hypothesen. Die Variation der Aufgabenstellung dient ebenfalls dieser Evaluation, indem systematische Veränderungen in den durch die Aufgabe gestellten Anforderungen zur Isolation spezifischer Teilfunktionen herangezogen werden können. Werden im nächsten Schritt, ausgehend von den nun vorliegenden diagnostischen Informationen, neue Hypothesen das künftige Lehr- und Lernangebot betreffend entwickelt, unterstützt die Variation der Aufgabenstellung auch den Vorgang der Umsetzung dieser Hypothesen in praktisches Handeln. Diese diagnostische Methode, die Aufschluss gibt über individuelle Lernfähigkeiten und Lernstrategien, liefert Hinweise für die konkrete Gestaltung des Angebots zum Erreichen der nächsten Lern- und Entwicklungsschritte.

Abschließend soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass dieses neuropsychologisch orientierte Vorgehen ein rein förderdiagnostisches ist, das auf keinen Fall bei der Beantwortung von Platzierungsfragen zur Anwendung kommen kann. Das Verlassen der Standardisierung entzieht jeder weit in die Zukunft reichenden Prognose die testtheoretische Grundlage und würde eine Entscheidung über den künftigen Schul- und Lebensweg eines Kindes der rein subjektiven Einschätzung eines Diagnostikers ausliefern. Umfangreiche Forschung auf dem Gebiet der Diagnostik und Testpsychologie hatte gerade das Ziel, diese Subjektivität zu Überwinden. Es wäre unverantwortlich und als Rückschritt zu bewerten, dieses vorliegende Wissen nicht zu nutzen, sondern zu ignorieren.


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