Zusammenfassung - Förderdiagnostik
Zusammenfassend können folgende charakteristische Aspekte von
Förderdiagnostik festgehalten werden:
- Förderdiagnostik ist keine
Platzierungsdiagnostik
Die förderdiagnostische Ziel- oder Fragestellung ist klar von der
Platzierungsdiagnostik zu unterscheiden. Zur Beantwortung dieser
grundsätzlich verschiedenen Fragestellungen ist ein
unterschiedliches methodisches Vorgehen, sind unterschiedliche
diagnostische Strategien erforderlich und es ergeben sich daraus
zwangsläufig diagnostische Informationen mit unterschiedlicher
Qualität.
- Förderdiagnostik ist Situationsdiagnostik
Kind und Umwelt bilden eine untrennbare Einheit, sodass
Förderdiagnostik kindliches Verhalten immer nur im Zusammenhang
mit spezifischen Situationen erfassen kann. Diese momentane spezifische
Situation wird auch bestimmt durch Ereignisse aus der Vergangenheit und
durch Vorstellungen über die Zukunft. Im Rahmen der
Förderdiagnostik werden nicht möglichst umfassend alle
verfügbaren Informationen und Daten gesammelt, sondern nur
diejenigen, die in der spezifische Situation bedeutsam sind. Diese
Bedeutsamkeit erhalten diagnostische Informationen einerseits dadurch,
dass der Diagnostiker versucht die Perspektive des Kindes einzunehmen
und sich so von Anfang an bemüht, das Kind in seiner spezifischen
Situation zu verstehen und andererseits, indem er sein
pädagogisches, didaktisches und psychologisches Fachwissen zur
Deutung des kindlichen Verhaltens benutzt. Dabei gilt es zu
berücksichtigen, dass der soziale Kontext nicht nur ein Faktor
ist, der auf das Kind einwirkt und sein Handeln mit bestimmt, sondern
dass das Kind ebenfalls aktiv gestaltend in diesem Kontext agiert.
- Förderdiagnostik ist Lernprozessdiagnostik
Förderdiagnostik bleibt nicht beim Erfassen des aktuellen
Entwicklungsstandes stehen, sondern sucht den potentiellen, indem
Aufgaben vorgelegt werden, die das Kind nicht alleine, sondern nur mit
individuellen Lernhilfen bewältigen kann. Damit wird der Prozess
des Lernens sichtbar und analysierbar. Die auf diese Art gefundenen
individuellen Lernhilfen stellen die immer wieder geforderte Einheit
von Diagnostik und Förderung tatsächlich her.
- Förderdiagnostik ist kompetenz- und defektorientiert
Förderdiagnostik erfasst und berücksichtigt
gleichermaßen die Stärken und Schwächen eines Kindes,
da sich beide gegenseitig bedingen und gemeinsam die
Individualität eines Kindes ausmachen. Förderdiagnostisch
besonders interessante Informationen ergeben sich an dem Punkt, wo
Können in Nicht-können übergeht. Bestimmte Stärken
erhalten dann eine besondere Bedeutung, wenn sie als
Kompensationsmöglichkeiten zur Bewältigung spezifischer
Situationen eingesetzt werden können.
- Förderdiagnostik ist ein hypothesengeleiteter Prozess
Förderdiagnostik steht nicht am Anfang eines Lehr- und
Lernprozesses, sondern wird erst notwendig, wenn bestimmt Lernziele mit
"herkömmlichen" Mitteln nicht zu erreichen sind, wenn also
Lernhemmungen vorliegen, die vom Kinde nicht alleine oder mit den
normalerweise zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln überwunden
werden können. Mit Hilfe der Förderdiagnostik lassen sich
keine Förderziele und nächste Entwicklungsschritte finden,
sondern Förderdiagnostik ist nur in der Lage, Hypothesen über
hemmende oder fördernde Lern- und Verhaltensbedingungen zu
überprüfen. Die Hypothesen selbst werden vom Diagnostiker aus
seinem pädagogischen, didaktischen und psychologischen Fachwissen
heraus entwickelt. Hilfreich für das generieren und
Überprüfen der Hypothesen erscheint aus der Erfahrung heraus
auch der Diskurs mit anderen Diagnostikern, mit den nächsten
Bezugspersonen und womöglich mit dem betroffenen Kind selbst. Das
Förderdiagnostische Gutachten dokumentiert den
hypothesengeleiteten Prozess und macht ihn für Nichtbeteiligte
nachvollziehbar.
Literatur:
Breitenbach, E. Förderdiagnostik. Grundlagen und Konsequenzen
für die Praxis. Würzburg 2003
