Anorthoskop (PLATEAU 1836) und >anorthoskopische Erscheinungen<.

 

Hermann Kalkofen[1] 

 

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>Theorien und Geschichte< ist das Motto unserer Sektion: Das Anorthoskop ist - einerseits - ein kaum noch verständlicher Überrest aus der Vor-Geschichte des Films; den frühen 1830er Jahren zuzuordnen, in denen übrigens, wie MÜNSTERBERG meint, auch die experimentelle Psychologie ihre Anfänge hatte.

Anorthoskopische Erscheinungen sind - andrerseits - ein Gegenstand Erkenntnis-theoretischen Interesses; das reicht von VIERORDT 1868  über ROTHSCHILD und HECHT in SCHUMANNs Frankfurter Laboratorium  in den 1920ern bis hin zu ROCK in der Neu Yorker New School for Social Research in den 1980er Jahren.

 

1. Lückenhafte Überlieferung

Die Abbildung I entstammt LÜCK/MILLERs >Illustrierter Geschichte der Psychologie< (1993); Bildunterschrift:

"Vorlage[2] für das PLATEAU-Anorthoskop. Vor der anamorphotischen Vorlage ist koaxial eine Schlitzscheibe mit einem radialen Spalt angebracht. Die beiden Scheiben drehen sich gegenläufig; die hintere doppelt so schnell. Es resultiert das entzerrte Portrait" (KALKOFEN 1993:317).

Abbildung I

Bei HELMHOLTZ besteht das Gerät aus zwei koaxialen Rollen; an deren einer "eine transparente Scheibe, auf der sich eine verzerrte Zeichnung befindet, an der anderen eine schwarze Scheibe mit einer oder mehreren Spalten. Wenn man die Scheiben rotiren läßt, kommt die richtige Zeichnung zum Vorschein" (HELMHOLTZ 1896:498). Das Drehzahlverhältnis der Scheiben bleibt unbestimmt; die Schlitzscheibe darf mehr als eine Spalte haben.

Anders verhält es sich bei RISTOW (1989): "Auf eine runde Scheibe zeichnete Plateau ein verzerrtes Bild und ließ es hinter einem feststehenden Spalt rotieren. Zu erkennen war eine feststehende entzerrte Figur" (RISTOW 1989:27). RISTOWs anorthoskopischer Spalt ist stationär; zu sehen ist bei ihm - explizit - eine Figur[3].

Bei MACGOWAN (1964) wiederum ist zu lesen: "He" - i.e. PLATEAU - "drew a misshappen head on a disk, and then brought it back to human shape by viewing it through a slotted disk - a true shutter - which revolved at a different speed from the disk with the picture. Plateau called his device the Anorthoscope (distorted view)" [4]. MACGOWAN fährt fort: "The illustration at the right shows only one of the three heads that appeared when Plateau used a disk with three slots. If he used four, he got four heads [5]". Hier gilt also: Pro Schlitz ein Bild. Drehzahlverhältnis und Umdrehungsrichtungen der rotierenden Scheiben scheinen gar keine Rolle zu spielen. Im Gegensatz zu andern Pre-Cinema-Historikern bringt MACGOWAN seine Auffassung, daß während der Begegnungen von Bild und Spalt mehr als eine entzerrte Figur entsteht, deutlich zum Ausdruck. Ich werde den Verdacht nicht los, daß weder RISTOW noch MACGOWAN,[noch HOPWOOD, LIESEGANG und v.ZGLINICKI] ein funktionierendes Anorthoskop in Händen gehabt haben dürften. KALKOFEN 1993 jedenfalls hatte noch keins gehabt. Und um nichts falsch zu machen, übte er Diskretion in der Bildunterschrift, wie andere auch[6]. Von dieser Illustration wollte er aber nicht lassen, um Meinungen, wie der von QUIGLEY verbreiteten, es handle sich in PLATEAUs Anorthoskop um eine allererste "motion picture machine" - selbst v. ZGLINICKI spricht von PLATEAUs "erstem Lebensrad"[7] - auch auf diesem Wege entgegenzutreten. Ich fühlte mich mit meiner Bildunterschrift nicht recht wohl, doch der Artikel mußte zum Druck. Danach fand sich Gelegenheit, der Sache auf den Grund zu gehen.

 

2. Schliessung der Lücken

Ich ließ mir also besorgen, was sich in POGGENDORFFs Annalen Einschlägiges auftreiben ließ und gab bei der feinmechanischen Werkstatt des Instituts für den Wissenschaftlichen Film  ein Anorthoskop (für "Aufnahmezwecke") in Auftrag.

Läßt sich MACGOWANs Auffassung, daß während der Begegnungen von Bild und Spalt mehr als eine entzerrte Figur entsteht, bestätigen? PLATEAUs "Zweite Notiz über neue sonderbare Anwendungen des Verweilens der Eindrücke auf die Netzhaut"[8] [Abbildung II] kam 1849 heraus. Er selbst also gibt die 'Premiere' des Anorthoskops in POGGENDORFFs Annalen mit 1836 an[9], beziffert das Drehzahlverhältnis mit 4:1[10] und spricht von 5 "regelmäßigen, symmetrisch um den Mittelpunkt gelagerten Figuren". Hut ab vor MACGOWAN.

Abbildung II.

Das IWF-Anorthoskop wurde im Sommer 1993 fertiggestellt; die Bildscheibe besorgte die Institutsfotografin[11]; die Scheibe wurde in der Eile seitenverkehrt montiert und zeigt also ein Linksprofil [Abbildung III]. Bei einem Drehzahlverhältnis von Bild zu Spalt wie 4:1 ergibt sich das Bild in Abbildung IV;[12] die fünf Phantomprofile wirken gestaucht. Wenn wir das Verhältnis  halbieren, so kommen wir der Literatur-Illustration näher, wenn die Köpfe nun auch etwas länglich [Abbildung V] scheinen. Ein Drehzahlverhältnis von 3:1 hat dieses, nicht unansehnliche Resultat zur Folge [Abbildung VI]. Fazit: Die in der filmgeschichtlichen Literatur verbreitete Vorlage paßt nicht zu dem von PLATEAU 1836 für das für's "Publicum construirte Instrument" vorgeschriebenen Drehzahlverhältnis.

Abbildung III

Abbildung IV

Abbildung V

Abbildung VI

 

Daß die Entstehung des Anorthoskops tatsächlich in den Januar des Jahres 1836 fällt, wie HELMHOLTZ in seiner Physiologischen Optik bestimmt, PLATEAU auch selbst die Leser glauben läßt, muß bezweifelt werden. Was dieser den Herren der Brüsseler Akademie unter dem Namen des Anorthoskops präsentierte, war das für den Spielzeugmarkt optimierte Produkt; Abbildungen dieser [Abb. VII] und weiterer dazu gehöriger Bildscheiben bringt FÜSSLIN (FÜSSLIN 1993:20-21). Ganz neu an dem verbesserten Gerät war nur der Name. Den Prototyp gibt es anscheinend schon seit 1829.

Abbildung VII.

In der gekürzten deutschen Fassung der 1829 eingereichten Lütticher Dissertation PLATEAUs wird auf die Möglichkeit der 'Construction' einer 'Art ganz neuer Anamorphosen' hingewiesen[13] (PLATEAU 1830a:324). Ein Eingesandt PLATEAUs an den Herausgeber der >Correspondence mathematique et physique<, den Astro­nomen und Begründer der Sozialstatistik[14] Adolphe QUETELET, vom 5. Dezember 1829 enthält diese, von QUIGLEY wiedergegebene Illustration [Abb. VIII].

Zitat QUIGLEY: "In the example shown in the drawing the two disks, mounted one behind the other, are rotated in an opposite direction, the motion of the deformed figure is double that of the shutter and the effect produced is that of the regular image ... . - Plateau then remarked, ..."While the shutter will be making a third part of a revolution all the points of the circle carrying the deformed figure will be present behind it and in consequence it will produce one regular complete image. Then during the second and third part of the revolution of the shutter it will be able to form itself into second and third images resembling the first"[15](QUIGLEY 1960:90).

Abbildung VIII.

Ja, hätte PLATEAU nur nicht - aus welchen Gründen auch immer - darauf verzichtet, in seinem Eingesandt auch die zweite und dritte anorthoskopisch entzerrte Figur wiederzugeben ... .

Mithin gibt es zwei Ausgaben des Anorthoskops von PLATEAU: Typ 1829, Drehzahlverhältnis der gegenläufigen Scheiben vom Bild aus gesehen wie 2:1, 1 Spalt (3 Profile); Typ 1836, Drehzahlverhältnis 4:1, 4 Spalte (5 Profile). Typ 1829 hat auch bei PLATEAU bald nicht mehr richtig gezählt.

3. Vorgeschichte des Anorthoskops

PLATEAU kam aufs Anorthoskop durch einen Artikel von ROGET, 1825.

ROGET bezieht sich seinerseits auf eine mit J.M. signierte, auf Dezember 1820 datierte Preis-Frage an die Leser des >Quarterly Journal of Science, Literature, and the Arts<. Hinter dem Kürzel J.M. verbirgt sich wahrscheinlich John MURRAY, der Herausgeber dieses Journals und Verleger von BYRON und MELVILLE [Abb. IX]. PLATEAU berichtet 1830 über die "sehr sonderbare optische Täuschung", die da zur Debatte stand [Abb. X]. Die Reizkonstellation bei J.M. besteht aus zwei Systemen, dem exponierenden, S1, das den Blick auf das rollende Rad vermittelt, und dem durch S1

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       Abbildung IX: J. MURRAY
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   Abbildung X

 

exponierten System, S2, dem rollenden Rad. ROGET ersetzte den stehenden Zaun in S1 durch ein ver­schiebliches Gitter und ließ das Rad in S2 auf der Stelle rotieren; kinetisch sind S1,2 bei ROGET und J.M. einander äquivalent.

Worauf es bei beiden Anordnungen ankommt ist die Verzerrung der Speichen in S2 zu einem Metroidenstrauch und die Unbeweglichkeit dieses Phantoms, Verzerrung und (stroboskopische) Ruhe.

 

 

Sehen wir uns das - die aktuelle IWF-Anordnung ist suboptimal - einmal an S1 in Bewegung (FILM CLIP ROGET 1); S2 in Bewegung (FILM CLIP ROGET 2). Beide zusammen (FILM CLIP ROGET 3). PLATEAU ersetzt den Zaun in S1 durch ein rotierendes Spaltenrad[16] und läßt in S2 das Bild eines verzerrten Phantoms rotieren. PLATEAU stellt den MURRAY-ROGET-Effekt gewissermaßen auf den Kopf. Verzerrung des Verzerrten ist Entzerrung, schafft Anorthoskopie.

 

4. Nachgeschichte des Anorthoskops

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     Abbildung XI.

1862 kommt ZÖLLNER[17] auf die >sonderbaren Anwendungen des Verweilens der Eindrücke auf der Netzhaut< zurück [Abb. XI].

ZÖLLNERs S1 ist wie bei MURRAY - ein auf einen Zwischenraum reduzierter - translatorisch beweglicher Zaun; hatte ROGET von der translatorischen Komponente des Radbewegung in S2 abstrahiert, so kommt die Translation bei ZÖLLNER, wenn sich  S1 bewegt, nun ohne Rotation zum Einsatz. "Ist die Bewegung des Spaltes eine so grosse, dass die Zeit, welche er gebraucht, um von a bis e zu gelangen", geht es weiter, "kleiner ist als die Dauer des momentanen Lichteindrucks eines dieser Punkte, so wird man dieselben nicht mehr nacheinander, sondern gleichzeitig nebeneinander erblicken müssen.  -  (FILM CLIP ZÖLLNER-1). Befindet sich hierbei ... der Streifen mit den Punkten in Ruhe, so erblickt man durch den bewegten Spalt die Punkte in ihrem wirklichen Abstande (FILM CLIP ZÖLLNER-2).  . Anders verhält es sich aber bei gleichzeitiger Bewegung der Punkte nach entgegengesetzter Richtung. Man sieht alsdann, je nach der Grösse dieser Bewegung die Punkte näher zusammenrücken (FILM CLIP ZÖLLNER-3). Auf diesem Zusammenrücken der Punkte" schließt ZÖLLNER, "beruhen nun alle Erscheinungen des Plateau'schen Anorthoskops und ähnlicher Vorrichtungen ..." (ZÖLLNER 1862:477-8).

Für HELMHOLTZ, auf den sich ZÖLLNER[18], beruft, sind hier Augenbewegungen konstitutiv; für ihn sind diese Spalterscheinungen rein retinaler Natur[19]. So auch für ANSTIS/ATKINSON 1967. Schon VIERORDT 1868[20] aber kamen Zweifel an dieser "Zöllner ... von Helmholtz vorgeschlagenen Auffassung". VIERORDT zeigte, daß die Erscheinungen am stationären Spalt auch dann zu verzeichnen sind, wenn "Bewe­gungen des Augapfels" nicht in der von HELMHOLTZ behaupteten Weise wirksam sein können und sieht hier ein "Phänomen ..., das offenbar von verschiedenen, zum Theil ausschliesslich psychischen Bestimmungsmomenten abhängt" (aaO:126).

HECHT 1924 fragt nach den "Faktoren [selbst], die bewirken, dass ein im objektiven Spalt gleitendes Rechteck, das doch bei starrer Fixation höchstens ein spaltbreites Netzhautbild liefern kann, im Sehraum zu einem breiteren Rechteck auseinandergezogen wird? Es muss da ein verwickelter psychophysischer Mechanismus, den schon VIERORDT postuliert, in Tätigkeit tretem, der unter gewissen Voraussetzungen einen im zeitlichen Hintereinander an der gleichen Stelle des objektiven Raumes gebotenen Reiz im Sehraum in ein simultanes räumliches Nebeneinander umwandelt" (HECHT 1924:177).

Auf den Gedanken, gleichzeitig mit dem anorthoskopischen Bild ein physisch dauernd präsentes zu zeigen, kam 1924 HECHT[21] (FILM CLIP HECHT 1).   "Bei dieser Anordnung läßt sich ... das obere Rechteck, an dem die ZÖLLNERsche Täuschung auftritt," schreibt HECHT, "bequem mit dem unteren dauernd sichtbaren Rechteck vergleichen. Dabei ergibt sich: -1. Bezüglich der Grössen: das obere Rechteck erscheint schmäler als das untere.- 2. Bezüglich der Lokalisation: die Mitten der beiden Rechtecke liegen nicht senkrecht übereinander, sondern sie erscheinen sehr stark schräg zueinander gestellt. - 3. Bezüglich der Bewegung: das obere Rechteck bewegt sich langsamer als das untere." Das bedeutet: "1. bei dem im Spalt bewegten Rechteck wandern die Konturen langsamer. Zugleich entstehen sie verspätet. Daher müssen sie gegenüber den Konturen des dauernd sichtbaren Rechtecks notwendig zurückbleiben. - 2. da mit dem langsameren Wandern der Konturen auch die Gesamtgestalt des oberen Rechtecks langsamer fortschreitet, muss der Eindruck entstehen, als ob das untere Rechteck das obere überhole“ [22] (HECHT 1924:182).-

(FILM CLIP PLATEAU 1) Ein Translations-Anorthoskop, das im oberen Teil dem PLATEAUschen ansonsten genau entspricht. Schon VIERORDT hatte bemerkt: "Bei mässiger Geschwindigkeit scheint der  Gegenstand sich ein wenig zu bewegen, während er bei grosser Geschwindigkeit nahezu unbeweglich erscheint" (aaO 129).

Zum Stellenwert der Spalterscheinungen meint 1981 ROCK: "Where a figure moves behind a stationary slit the perceptual system must [also] infer the figure's speed and direction in order to reconstruct its length and shape. - If this interpretation of the events that follow viewing an anorthoscopic display is correct, the perception of form is a process much closer to the cognitive level than has heretofore been recognized. It cannot be explained as a direct outcome of the physiological processing of contours stimulating the retina" (ROCK 1981:111)[23].

Literatur:

Anon (1821): (A letter dated 1 December 1820 and signed J.M.): Quarterly Journal of Science, Literature, and the Arts. London: January 1821 vol 10 pp 282-283, ill. zit.n. Hermann HECHT

ANSTIS, S.M. & ATKINSON, J.(1967): Distortions in moving figures viewed trough a stationary slit. Amer.J.Psychol. 80, 572 - 585.

FÜSSLIN, Georg (1993): Optisches Spielzeug oder wie die Bilder laufen lernten. Stuttgart:Füsslin

HECHT, Hans (1924): Neue Untersuchungen über die Zöllnerschen anorthoskopischen Zerrbilder. Herausgegeben von F. SCHUMANN: I. Die simultane Erfassung der Figuren. Von HANS HECHT Zeitschr.f.Psychol. 94 153-194

HECHT, Hermann (ed. Ann HECHT) (1993): Pre-Cinema History. An Encyclopaedie and Annotated Bibliography of the Moving Image Before 1896. London etc:Bowker Saur.

HELMHOLTZ, H. (1856-1866): Handbuch der physiologischen Optik. Hamburg:Voss.

HELMHOLTZ, H. (oJ): Schriftl. Mitteilung an Zöllner. Zit. n. ZÖLLNER 1862

HELMHOLTZ, H.v. (1896): Handbuch der physiologischen Optik. Zweite umgearbeitete Auflage. Hamburg/Leipzig: Voss.

HOPWOOD, H. V. (1899): Living Pictures. Their History, Photo-Production and Practical Working. London: Optician & Photographic Trades Review.

KALKOFEN, H. (1993) Die Psychologie und der Film - eine alte Beziehung. pp 317-321 in: H. LÜCK & R. MILLER (Hg.)(1993): Illustrierte Geschichte der Psychologie. München: Quintessenz

LIESEGANG, F. Paul (1924): Die Erfindungsgeschichte des Lebensrades. Kinotechnik. Jahrgang 6 1924 Heft 19 S.341 u. Heft 20 S. 367 zit. n. v. ZGLINICKI 

LIESEGANG, F. Paul (1926): Zahlen und Quellen zur Geschichte der Projektionskunst und Kinematographie. Berlin: Deutsches Druck- und Verlagshaus.

MACGOWAN, Kenneth (1965): Behind the Screen. The History and Techniques of the Motion Picture. New York: Delta Book

PLATEAU, J. (1830a): Ueber einige Eigenschaften der vom Lichte auf das Gesichtsorgan hervorgebrachten Eindrücke; von J.Plateau. POGGENDORFFs Annalen (20) 1830 S.304-332

PLATEAU, J. (1830b): Lettre de M. Plateau an {sic} Redacteur, relative a differentes experiences d'optique in: Correspondence mathematique et physique publiee par A. Quetelet. Brussels: 1830, vol 6, pp 121-126 and plate III, fig. 1 letter dated 5 December 1829 zit.n. Hermann HECHT

PLATEAU, J.: Notice sur l'Anorthoscope. in: Bulletin de l'Academie des Sciences et Belles Lettres de Brusselles. Brussels: 1836, vol 3 pp 7-10 and 363 zit.n. Hermann HECHT

PLATEAU, Joseph Antoine Ferdinand (1850): Zweite Notiz über neue sonderbare Anwendungen des Verweilens der Eindrücke auf der Netzhaut. Annalen der Physik und Chemie herausgegeben zu Berlin von J.C. Poggendorff 1850 79 269-290

POGGENDORFF,  J. (1837): Anorthoskop. pp 464-7 in POGGENDORFFs Annalen Bd. XXXVII

QUIGLEY, M. Jr. (1960): Magic Shadows. The Story of the Origin of Motion Pictures. New York, N.Y.: Quigley Publishing Company.

REBER, Arthur S. (1985); The Penguin Dictionary of Psychology. London etc: Penguin Books

RISTOW, Jürgen (19892): Vom Geisterbild zum Breitwandfilm. Aus der Geschichte der Filmtechnik. Leipzig: Fotokinoverlag.

ROCK,I. (1981): Anorthoscopic perception. Scientific American 244 145-153

ROTHSCHILD, Heinrich (1922): Unterschungen über die sog. Zöllnerschen anorthoskopischen Zerrbilder. Zeitschr.f.Psychol. 90 137-166

VIERORDT, Karl (1868): Der Zeitsinn; nach Versuchen. § 27. Scheinbare Verzerrung bewegter Gegenstände. Tübingen: Laupp'sche Buchhandlung

VOLK, J. (1927): Tachistoskopische Untersuchung der Zöllnerschen anorthoskopischen Zerrbilder. Franfurter Disseration. Leipzig: Barth

WILKENING, A. / BAUMERT, H. / LIPPERT, K. (Hrsg.)(1966): Kleine Enzylopädie Film. Leipzig; Bibliographisches Institut

ZGLINICKI, F.v. (1956): Der Weg des Films. Berlin: Rembrandt. Reprint Hildesheim/New York: Olms 1979

ZÖLLNER, F. (1862): Über eine neue Art anorthoskopischer Zerrbilder. POGGENDORFFs Annalen der Physik und Chemie 27 477-484 1862

 

Hermann.Kalkofen@iwf.de

 



[1]      Überarbeitete Fassung eines Vortrags auf dem 42. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Jena (2000).

[2]      wie wir bei QUIGLEY erfahren, vom künstlerisch veranlagten PLATEAU eigenhändig verfertigt

[3]      Wie schon bei LIESEGANG 1924, der sich dabei auf PLATEAU (1830b) bezieht: "Diesem Beispiel {FOLIE I} legt er die Bedingung zugrunde, daß die auf das transparente Papier verzerrt gezeich­nete Figur ...  sich in entgegengesetztem Sinne doppelt so rasch um dieselbe Achse dreht wie die Spaltscheibe. Der Beobachter gewinnt dann ein Bild der verzerrten Figur ..." (zit.n. FÜSSLIN 1993:22).

[4]      Einspruch! Die Übersetzung oder Gleichsetzung von /Anorthoskop/ mit /distorted view/ - deutsch etwa /verzerrte Sicht/ - sollte nicht hingenommen werden. Im Abstrakt dieses Beitrags habe ich geschrieben, daß PLATEAU sein Entzerrungs-"Gerät Anorthoskop, nach gr. anorthoo = wieder-aufrichten, -herstellen (orthoo=aufrichten)" genannt habe, das Anorthoskop mithin ein Wieder-aufrecht-Betrachter sei. Ein Hinweis darauf, daß der Name tatsächlich so gemeint ist, findet sich weder bei PLATEAU noch bei POGGENDORFF; das Publikum ihrer Zeit war des Griechischen mächtig genug. Andererseits gibt es da nun das Wort /orthoskopisch/, soviel wie /richtig gesehen/; ein deprivatives /a/ davorgesetzt wäre mit einem /n/ vom Folgevokal /o/ abzupuffern. Schon gut. Das /An-/ in PLATEAUs Geräte-Benennung kommt aber von griechisch /ana/, /hinauf/; hier wurde nicht ein /n/ hinzugefügt, sondern es ging das zweite /a/ verloren. - MACGOWANs - ja übrigens durchaus nicht unintelligenter - Irrtum findet sich auch bei ROCK (1981): PLATEAU, ZÖLLNER, HELMHOLTZ und andere mehr, heißt es da, sprächen von "anorthoscopic presentation, presumably because it was a nonstandard method of visual stimulation"(ROCK 1981 103-4). Er findet sich auch in REBER's Penguin-Lexikon Psychologie: "anorthoscopic Lit., abnormally viewed. The term is used to refer broadly to perception under unusual or highly artificial conditions" (REBER 1985:39). Das hört sich verständig an. Wir wissen es besser.

[5]      MACGOWAN beruft sich auf HOPWOODs >Living Pictures<, 1899. HOPWOOD gibt keine Abbil­dung des Anorthoskops, teilt aber mit daß es PLATEAU 1836 erfunden habe, "an instrument which reversed the illusion observed by Roget, and gave a correct image from a distorted original. In this contrivance a back disc bearing a distorted image revolves at a speed four times greater than a front one which is pierced with four radial slots at angular distances of 90 degrees." Es folgt der Irrtum, den MACGOWAN proliferiert: "When in motion this instrument shows four non-distorted images formed from the one distorted orginal" (Hvhb HK). Noch POGGENDORFF (1837 466) aber weiß: "Eine Vervielfältigung der Spalten in der schwarzen Scheibe hat keine andere Wirkung, als dass sie die Helligkeit des resultirenden Bildes erhöht." Bei einem Drehzahlverhältnis von 4:1 ist es in der Tat gleich, ob die Zahl der (gleichabständigen) radialen Spalten 4 oder 1 ist: In beiden Fällen resultieren 5 Bilder.

[6]      Auch der verdienstliche v. ZGLINICKI 1956 - in seinem unübertroffenen "Weg des Films" dürfen die Abbildungen der "Zerrfigur für Plateaus erstes Lebensrad (Anorthoskop)" und der "Entzerrung der Figur im Anorthoskop" nicht fehlen  - hält sich in diesem Punkt auffällig zurück (v. ZGLINICKI 1956:135).

[7]      Die Wendung "Anorthoskop, später meist Lebensrad genannt" findet sich auch bei WILKENING & al 1966 (p 6).

[8]      ein erster Fund der damaligen IWF-Bibliothekarin Claudia Kreutz.

[9]      Interessant findet FÜSSLIN "die Tatsache, daß bereits kurze Zeit nach seiner Erfindung das Anorthoskop im Handel erhältlich war"(FÜSSLIN 1993:22). Als Zeitpunkt der Erstveröffentlichung der Erfindung nennt LIESEGANG, auf den sich F. bezieht, den 5. Dezember 1829 (LIESEGANG 1926:32).

[10]     Dieses Verhältnis gibt LIESEGANG, wiederum mit Bezug auf PLATEAU, 1926 an (vgl Fn 2).

[11]     Astrid Ahrend-List

[12]     Die 'PLATEAU-Phantome' wurden 1998 mit Langzeit-Belichtung (ca. 1 sec) - daher die Unschärfe der Profilkonturen - fotografiert. Für die Bildaufbereitung danke ich meinem damaligen IWF-Kollegen Dr. Dieter Haarhaus. Die - von uns während der Aufnahmen konstant gehaltene, weil an der FFF orientierte - Umdrehungsfrequenz der Spaltscheibe betrug (gemessen) 230 U/min: das sind 1/3.825=260 ms pro Spaltscheiben-Zyklus.

[13]     "Nichts hindert uns aber als feststehendes Bild irgend eine Figur zu nehmen, z. B. den Kopf eines Menschen, ein Wort u. s. w.; alsdann erhält man durch die besagte Construction eine ungestaltete Figur, die, wenn sie gleichzeitig mit der gegebenen Curve umgedreht wird, ein vollkommen regel­mässiges Bild hervorbringt. - Hier hat man demnach eine Art ganz neuer Anamorphosen" (PLATEAU 1830a:324).

[14]     1836 erschien Q.s >Sur l'homme et le developpement des ses facultes, ou essai de physique sociale<

[15]     Forts. "These were the words Plateau used to explain the nature of the operations of his first movie machine."

[16]     Das machte uach FARADAY. Er setzte dem rotierenden Rad in S2 ein zweites rotierendes Rad in S1 vor. Von hier aus führte der Weg zun Film.

[17]     von dem wir die Täuschung haben (FOLIE)

[18]     "In seiner Erklärung der Täuschung folgt Zöllner im Allgemeinen einer, ihm von Helmholtz vorge­schlagenen Auffassung, dass wir während des Vorbeiganges des Objectes Bewegungen des Augapfels vollführen, die in gleicher Richtung, jedoch langsamer wie die bewegte Figur erfolgen sollen. "Dadurch entstehen", sagt Helmholtz .., "nacheinander auf den verschiedenen Streifen der Netzhaut, auf denen der Spalt während dieser Bewegung sich abbildet, Eindrücke von dem gerade vorliegenden Stücke des Objectes, gerade wie bei dem Anorthoscop, nur dass bei diesem der Spalt selbst bewegt, das Auge ruhig ist, während hier das Auge bewegt ist und der Spalt stillsteht"" (VIERORDT 1868:124).

[19]     in einem eigenartigen Gegensatz zu H.s sonstigem 'Kognitivismus', fast so als wären die Fronten vertauscht!

[20]     im Grunde auch ZÖLLNER 1862

[21]     "Dieser hier beschriebene Versuch war einer der ersten, die ich überhaupt zum Studium der ZÖLLNERschen Erscheinung anstellte, zu einer Zeit, als ich mir über ihr Zustandekommen noch völlig im unklaren war".

[22]     Forts. "Selbstverständlich entspricht die Lage des unteren Rechtecks auch nicht genau den objektiven Lageverhältnissen."

[23]     Nicht ganz verschwiegen werden soll LE GRAND 1967: "Anorthoscopic Illusions Plateau (1836) described the illusion caused by the vision of an object in motion observed through a slit which also is moving. There are many variables in this effect and, therefore, a lot of works for psychologists. Zöllner (1862) got excited about the phenomenon and so did the theorists of the Gestalt school, particularly Wenzel. These effects can be related to the deformation noted when a carriage wheel goes past some railings (Roget, 1825). All these effects and many others of the same kind do not in my opinion offer much interest but merely use up a lot of paper with unimportant material." (LE GRAND 1967:183)