Einwände | Entgegnungen |
Das ist ja trivial. Man verrät den Schülern,
was in der Prüfung dran kommt und dann ist es natürlich kein
Wunder, wenn sie in der Prüfung besser abschneiden und weniger Angst
haben.
Kann man so etwas noch eine Prüfung nennen? Mit Prüfungen will man doch herausbekommen, was die Schüler wissen. |
Man verrät den Schülern nicht die Aufgaben,
sondern man expliziert die prüfungsrelevanten Lehrziele.
(siehe dazu Vergleich Lehrziele zu Aufgaben) Dadurch präzisiert man die Anforderungen. Zielvorgaben können zielgerichtetes Lernen fördern, aber nicht erzwingen. Obwohl in Studie 3 die Lehrziele präzisiert waren, glaubten die Schüler in Studie 3 nicht, daß sie ihre Lernziele eher erreichten. Prüfungen haben mehrere Funktionen. Sie auf reine Leistungserfassung zu beschränken, hieße, die potentiell positiven motivationalen und lernfördernden Aspekte von Prüfungen zu vernachlässigen. |
Ein Transparenzpapier schränkt alle Lehrziele auf
die prüfungsrelevanten Lehrziele ein und verzichtet damit auf eine
umfassende Prüfung der Lehrziele.
Dieses Vorgehen verstößt gegen das Prinzip der curricularen Lehrzielvalidität von Prüfungen. Außerdem führt es dazu, daß sich die Schüler nur mit prüfungsrelevanten Themen befassen und deshalb insgesamt weniger lernen. |
Bei Lehrstoffen, für welche die Schüler keinerlei
intrinsisches Interesse aufbringen, wird die Beschäftigung damit unter
Transparenzbedingungen vermutlich geringer ausfallen als unter konventionellem
Prüfungsdruck. Aber, nur die wenigsten Schüler können in
der verfügbaren Lernzeit tatsächlich alle Lehrziele erreichen.
Durch die Eingrenzung auf die prüfungsrelevanten Lehrziele kann der zu erlernende Lehrstoff auf das Wichtige und Wesentliche konzentriert werden. Es wird daher nicht weniger gelernt, sondern die verfügbare Lernzeit wird unter Transparenz auf weniger Stoff konzentriert. Ergebnisse aus der Studie 2 belegen, daß der Arbeitseinsatz für die Prüfung unter Transparenzbedingungen eher höher ausfällt als unter konventionellen Bedingungen. Die Lehrzielvalidität der Prüfung wird bewußt eingeschränkt, aber 1. ist diese häufig auch bei konventionellen Prüfungen nicht übermäßig hoch und 2. sind teststatistischen Argumenten bei der Multifunktionalität von Prüfungen keine absolute Priorität einzuräumen. |
Erfolgreiche Transparenz führt zu einer Nivellivierung der Leistungsunterschiede zwischen den Schülern, weil sich dann die Prüfungsleistungen insgesamt verbessern und dabei im Mittel "zu gute Noten" herauskommen, die den "wahren Fähigkeiten" der Schüler nicht mehr entsprechen. | In der Tat führte die erfolgreiche Transparenz in
Studie 2 zu Prüfungsergebnissen, die fast an die Bedingungen eines
Mastery
Learnings heranreichten.
Wenn die Funktion von Prüfungen im wesentlichen darin bestehen sollte, Schüler zu differenzieren und die Schulleistungsfähigen mit guten Noten zu belohnen und die weniger Schulleistungsfähigen mit schlechten Noten zu bestrafen, dann empfiehlt es sich vornehmlich, schlechten Unterricht zu machen und solche Aufgaben zu stellen, die 50 % der Schüler nicht beantworten können. |
Eine durch Transparenz geschaffene größere
Klarheit, die damit potentiell verbundene Effizienz des Lernens und die
möglicherweise angstreduzierende Wirkung können mit dem übergeordneten
Lernziel konfligieren, selbst aktiv zu werden und sich selbst darum zu
bemühen, Ambiguität zu reduzieren.
Selbstständige Reduktion von Ambiguität in komplexen Situationen muß als ein Hauptziel gegenwärtiger Pädagogik angesehen werden. |
Ich stimme uneingeschränkt zu, meine aber, für
derartige Lernerfahrungen seien Prüfungen weniger geeignet, da diese
eher zu opportunistischem Denken verleiten ("Was will der Prüfer hören?").
Für echte kreative Auseinandersetzung mit Ambiguität scheinen mir längerfristige Unterrichtsprojekte sowie die eigenständige Auseinandersetzung mit einem Thema, etwa in Form eines unbenoteten Referates, eher förderlich zu sein. |
Warum sollte der Lehrer bei der gegenwärtigen Belastung
durch die Schule nun auch noch Transparenzpapiere entwickeln oder sonstige
Maßnahmen ergreifen, um dadurch vielleicht manchmal die Angst der
Schüler etwas einzudämmen ?
Gehört die Angst nicht zu dem persönlichen Problem des einzelnen Individuums? Ist nicht die gesellschaftliche Struktur von Schule letztlich der Auslöser dieser Angst? Brauchen wir nicht eine neue Schule, in der die Schüler sich wohlfühlen und Schule nicht als Bedrohung, sondern als eine Ort der Lernfreude und der konstruktiven Persönlichkeitsentwicklung wahrgenommen wird ?. |
Ein Transparenzpapier kann auch dem Lehrer einige Klarheit
über seinen Unterricht vermitteln, indem es nahelegt, worauf die Schwerpunkte
zu legen sind.
Angst ist faktisch das Problem des einzelnen Individuum.
Angst ist eben nicht unabhängig von den Bedingungen der Schule und somit auch nicht ganz losgelöst vom Erziehungsauftrag des Lehrers. Dem Einzelnen überhaupt keine emotionalen Belastungen mehr zuzumuten, wäre andererseits weltfremd. Dass die gesellschaftliche Struktur von Schule einen Großteil der Angst mitproduziert, ist wahrscheinlich und wird von großen Teilen der Gesellschaft, ob bewußt oder unbewußt, letztlich in Kauf genommen bzw. verteidigt. Insofern erübrigt sich weitgehend die Frage, ob wir
eine neue Schule brauchen, bzw. die Frage wäre vielleicht ein guter
Aufhänger für eine Talkshow.
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